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Es geht hier nicht um die Stelle, an der Natenom totgefahren wurde, nicht um die Frage, wie das ablief und nicht um die Schuldfrage. Aber Natenoms Tod wird regelmässig damit vermischt, wie er auf der Straße unterwegs war.

Es ist unglaublich ermüdend in den Medien sowohl in Artikeln wie auch in Leserbriefen immer die selbe Frage zu lesen… warum Natenom sich zu Lebzeiten nicht verdrückt hat auf den rechten Rand der Strasse oder doch besser gleich auf irgendeinen hubbeligen Waldweg. So wie die es von ihm erwartet haben, die ihn vor seinem Tod gemobbt und auch nach seinem Tod mit Hass-Posts verfolgt haben. Es scheint Menschen, die nicht regelmässig ihre Erledigungen mit dem Fahrrad machen, unverständlich zu sein, wieso nicht alle Verkehrsteilnehmer (auch die, die gar kein Auto haben) ihr ganzes Sein dem schnellen Fortkommen mit dem Automobil der anderen unterordnen. Und immer wenn Leute etwas nicht verstehen, ist es sinnvoll, das in Bilder zu fassen. Wenn wir mal davon ausgehen, dass verstanden wird, dass Natenom regelmässig auf der Landstrasse fuhr, weil er das durfte und weil die Landstrasse fast immer in einem besseren Zustand ist als der hubbelige Wald- oder Feldweg daneben, oder weil sie weniger Steigung / weniger Kurven= weniger Strecke ausweist, dann hilft uns folgende Grafik aus dem englischsprachigen Raum weiter.

(C) 2014 Kery Caffrey, Inc.

Fazit: Leute, nehmt Euch den Platz, wenn ihr leben wollt! … und wenn ein Auto nicht überholen kann, weil ihr in der Mitte fahrt, dann darf es wegen des gesetzlichen Überholabstands in der Regel eh nicht überholen.

Wir sind entsetzt und fassungslos. Gestern haben wir bei der gemeinsamen Gedenkfahrt an der Unfallstelle das Ghostbike für Andreas aufgestellt – und schon in der ersten Nacht ist die Gedenkstätte verwüstet worden.

Verwüstete Gedenkstätte für Andreas

„Wir können einfach nicht begreifen, dass jemand so etwas tun kann. Ein Mensch ist gestorben – und andere Menschen treten sein Andenken im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen.“

Marthe Soncourt, Radverkehrsinitiative Critical Mass Pforzheim

Gemeinsam mit unseren bundesweiten Partnern haben wir dazu folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

Pforzheim – Unbekannte haben die Gedenkstätte für den getöteten Radaktivsten Andreas Mandalka verwüstet, besser bekannt als Natenom. Sie warfen das am Unfallort an der L574 aufgestellte Ghostbike um und zerstörten Kränze, Grablichter sowie Erinnerungsstücke, die Freunde und Wegbegleiter dort hinterlegt hatten.
„Wir sind zutiefst erschüttert“, sagt Martin Mäschke vom örtlichen Fahrradclub ADFC. „Selbst im Tod schlägt Andreas noch Hass entgegen von – wir können es nur vermuten – gewaltbereiten Autofahrern. Wir haben Anzeige bei der Polizei Pforzheim erstattet und werden das Ghostbike nun wieder herrichten.“
Marthe Soncourt von der örtlichen Radverkehrsinitiative Critical Mass: „Wir können einfach nicht begreifen, dass jemand so etwas tun kann. Ein Mensch ist gestorben – und andere Menschen treten sein Andenken im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen.“

Das komplett weiß lackierte Fahrrad war erst am Sonntag auf einer großen Fahrraddemo an jenem Ort aufgestellt worden, an dem Natenom vor zwei Wochen von einem Autofahrer gerammt und tödlich verletzt worden war. Bei der Aufstellung des sogenannten Ghostbikes waren 500 bis 600 Menschen aus ganz Deutschland anwesend, die mit ihren Rädern von der Staatsanwaltschaft Pforzheim bis zur Unfallstelle an der Landstraße 574 fuhren.
Schon während der Demo war es vereinzelt zu Auseinandersetzungen mit Autofahrern gekommen. In mindestens einem Fall wurde Anzeige gegen einen Autofahrer gestellt, der in der Pforzheimer Innenstadt mit seinem BMW in den Demozug fahren wollte. Unweit von dieser Stelle hatte ein anderer Autofahrer einen Ordner tätlich angegriffen.
„Wir hoffen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft in Pforzheim die Schändung des Ghostbikes und die Übergriffe während der Demonstration ernster nehmen als die Anzeigen, die Andreas gegen gewalttätige und gefährdende Autofahrer gestellt hatte – diese Anzeigen wurden fast immer abgewiesen oder die Ermittlungen eingestellt“, sagt Mäschke, der Sprecher des ADFC-Kreisverbands Pforzheim-Enzkreis ist.
„Die Begründung war stets die gleiche: Die Gefahr sei ‚abstrakt‘; es sei ja nichts passiert. Vielleicht wird auch Polizei und Staatsanwaltschaft jetzt klar, dass hinter der abstrakten Gefahr ein ganz konkreter zerstörungswütiger Hass steht, der sich gegen unschuldige Radfahrer richtet. Andreas Mandalka ist nicht allein, nicht in seinem Tod und nicht in unserer Bedrohungssituation“.
Andreas Mandalka hatte sich bis zu seinem Tod insbesondere für die Gleichstellung von Radfahrern im Straßenverkehr sowie die konsequente Ahndung von Verkehrsverstößen eingesetzt. In den sozialen Medien war er unter dem Pseudonym Natenom eine der bekanntesten Personen der Radverkehrs-Szene in Deutschland.

Andreas Mandalka ist nicht allein, nicht in seinem Tod und nicht in unserer Bedrohungssituation.

Martin Mäschke, ADFC-Kreisverband Pforzheim-Enzkreis

Nach der Spurensicherung durch die Polizei haben wir die Gedenkstätte umgehend wiederhergerichtet:

Wiederhergerichtete Gedenkstätte für Andreas
Fotos: ADFC Pforzheim-Enzkreis/Critical Mass Pforzheim

Hierzu hat Tino Müller, ein enger Freund von Andreas Mandalka aus Neuhausen, den folgenden Offenen Brief verfasst: Offener-Brief-zum-Tode-eines-Fahrradfahrers

Enorme Anteilnahme in Mitteleuropa

Am 11. Februar fand in Pforzheim die Gedenkfahrt für Andreas Mandalka alias Natenom statt, zeitgleich mit Fahrten in ganz Mitteleuropa, wie folgendes Bild vom 11.2.2024 um 13:00 aus Critical Maps zeigt:

Im folgenden beispielhaft der Pforzheimer Aufruf zur Gedenkfahrt:

Fahrrad-Demo für getöteten Radaktivisten am Unfallort

Ein breites Bündnis von Fahrradverbänden ruft zu einer Demonstration für den von einem Autofahrer getöteten Fahrradaktivisten Andreas Mandalka auf – in den sozialen Medien besser bekannt unter dem Namen Natenom. Am Unfallort nahe Pforzheim werden mehrere Hundert Fahrradfahrende aus ganz Deutschland erwartet. Politiker aus der Landes- und Lokalpolitik sind angefragt für Redebeiträge. Zeitgleich finden bundesweit zahlreiche weitere Gedenkfahrten statt.

Zentrale Forderung der Demonstrationen ist der bessere Schutz von Fahrradfahrenden und Fußgängern im Straßenverkehr: durch baulich getrennte Radwege, verstärkte Kontrollen von Überholabständen, eine konsequente Ahndung von Verkehrsverstößen sowie flächendeckende Tempolimits. Ziel der gesamten Verkehrspolitik muss die sogenannte Vision Zero sein: keine Toten im Straßenverkehr.

Die Eckdaten der Fahrraddemo in Pforzheim:

Wann
Sonntag, 11. Februar, von 11 Uhr bis 15 Uhr. Um 13 Uhr findet eine Schweigeminute am Unfallort auf der L574 zwischen Schellbronn und Neuhausen statt. Parallel werden Schweigeminuten bei den bundesweit stattfindenden Gedenkfahrten abgehalten.

Wo
Ausgangspunkt der Demonstration ist der Parkplatz an der Staatsanwaltschaft Pforzheim, Lindenstraße 3 (Nähe Hauptbahnhof Pforzheim). Von dort aus fährt die Fahrraddemo über die L574 zum Unfallort.

Was
An der Staatsanwaltschaft Pforzheim ist zum Auftakt eine Kundgebung geplant, auch unterwegs wird es immer wieder Stopps und Ansprachen geben. Am Unfallort selbst ist auf Wunsch der Familie die Schweigeminute geplant. Das Ghost Bike – ein komplett weiß lackiertes Rad als Gedenken für den getöteten Natenom – hat ein persönlicher Freund gestiftet. Anschließend geht es die gleiche Strecke weitgehend unterbrechungsfrei zurück nach Pforzheim.

Wer
Hinter dem Demoaufruf stehen die Critical Mass Pforzheim, der Fahrradclub ADFC (Bundes- und Landesverband sowie die Ortsgruppe), der Verkehrsclub VCD, der Verein OpenBikeSensor, die Kidical Mass Pforzheim, der Fancy Women Bike Ride Pforzheim, der Zweirat Stuttgart, der Fachverband Fußverkehr sowie der Verkehrswende-Verein Changing Cities. Weitere Organisationen können sich noch anschließen.

Redebeiträge auf der Auftaktkundgebung:

Eröffnung: Versammlungsleiterin Marthe Soncourt

00:00: Begrüßung und Moderation: Peter Heissenberger, Radverkehrsinitiative Critical Mass Pforzheim

Videodokumentation

Für die Aufzeichnungen vielen Dank an Jan Steinberg (bakfiets.blog |@bakfiets.blog) und Roland Rides!

Abschließend noch der Pressespiegel (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

1.) Überregional:

https://taz.de/Fahrradaktivist-Natenom-tot/!5989820/

https://taz.de/Gedenken-an-Radaktivist-Natenom/!5991609/

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/nach-tod-von-aktivist-natenom-hier-demonstrieren-radfahrer-in-hessen-19508388.html

https://www.sueddeutsche.de/panorama/radfahr-aktivist-natenom-andreas-mandalka-tod-verkehrsunfall-demonstrationen-1.6345330

https://www.zeit.de/news/2024-02/12/gedenkstaette-fuer-verunglueckten-radaktivisten-verwuestet

https://www.spiegel.de/auto/andreas-mandalka-fahrradaktivist-stirbt-bei-verkehrsunfall-er-war-hier-einfach-der-auf-dem-fahrrad-a-12e47b4a-eb37-434d-9a2f-c026ed74a51e

https://www.spiegel.de/panorama/baden-wuerttemberg-radfahr-aktivist-stirbt-offenbar-bei-verkehrsunfall-a-ffba9445-5d0b-4ffb-b544-3df59427e7ea

https://www.spiegel.de/panorama/pforzheim-grosse-fahrrad-demo-fuer-radaktivisten-natenom-nach-unfalltod-a-5309448c-3962-4bb8-b99b-0ea7588793de

https://www.spiegel.de/panorama/rad-aktivist-natenom-unbekannte-verwuesten-gedenkstaette-a-89efd2d5-9632-423f-b604-a34e821cdd66

https://www.stern.de/gesellschaft/tod-des-fahrrad-aktivisten-soll-nicht-umsonst-gewesen-sein–wer-war–natenom—–34445360.html

https://www.stern.de/gesellschaft/regional/baden-wuerttemberg/verkehr–nach-tod-von–natenom—radfahrer-demonstrieren-in-pforzheim-34447910.html

https://www.stern.de/gesellschaft/regional/baden-wuerttemberg/-natenom—gedenkstaette-fuer-verunglueckten-radaktivisten-verwuestet-34452006.html

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/ulm/fahrrad-demo-in-ulm-100.html

https://www.lvz.de/lokales/leipzig/150-leipziger-gedenken-natenom-mit-fahrrad-demo-aktivist-toedlich-verunglueckt-IKGMBNAYFBAQNAN33M2TTFV6QY.html?outputType=valid_amp

https://offenburg.adfc.de/neuigkeit/natenom-schweigeminute-und-gedenkfahrt-in-offenburg

https://swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/karlsruhe/fahhrrad-demo-pforzheim-nach-unfall-natenom-100.html

2.) Fernsehen:

https://www.baden-tv.com/share/162008 ab 8:49 min

https://www.ardmediathek.de/video/swr-aktuell-baden-wuerttemberg/sendung-18-00-uhr-vom-11-2-2024/swr-bw/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIwMDE1Mzk

3.) Lokal:

www.bnn.de

https://www.muehlacker-tagblatt.de/

www.pz-news.de – viele Artikel – leider alle hinter der Paywall. Die Artikel findet ihr über Suchmaschineneingabe „<Zeitungsname> Natenom“

Die Spenden, die wir erhalten haben um Natenoms Bestattung abzusichern werden wir in den nächsten Wochen zurück überweisen. Wer für die juristische Aufbereitung der Drohbriefe an Natenom bzw. andere Zwecke in seinem Sinne spenden möchte, kann dies gerne tun… wir werden an dieser Stelle und auf der Seite des ADFC Anfang nächsten Jahres an dieser Stelle eine Spendenabrechnung veröffentlichen.

Spendenkonto und Überweisung:

ADFC Pforzheim-Enzkreis

IBAN DE65 6665 0085 0001 4325 91

Überweisungstext „Natenom Zukunft“

In Trauer nehmen wir Abschied von unserem lieben Wegbegleiter, den alle unter dem Namen Natenom kannten. Er wurde gestern auf der Strecke von Neuhausen nach Schellbronn totgefahren.

Natenom hat sich seit Jahren für die Sache der Radler*innen stark gemacht. Er war auf seiner Heimstrecke von Pforzheim nach Hohenwart vielen Anfeindungen durch Autofahrer ausgesetzt, die ihn anpöbelten, zu knapp überholten und bedrohten, weil er sie mit seinem Rad an der schnellen Weiterfahrt behinderte. Seine Anzeigen wurden durch Polizei und Staatsanwaltschaft eher stiefmütterlich bearbeitet.

Gestern Abend dann, es war schon dunkel, fuhr er auf der Strecke von Neuhausen nach Schellbronn. Den daneben befindlichen Waldweg nutzte er absichtlich nicht.
Laut seinem Blog ist dieser kein Radweg und dessen Strassenbelag wird durch die Gemeinde wesentlich schlechter gepflegt als die daneben befindliche Straße. Natenom hat sich in solchen Dingen klar an der Rechtslage und seinen Rechten als Radfahrer orientiert.

Auskunftsgemäß trug sich der Unfallhergang wie folgt zu*): Hinter ihm kam ein 77 Jahre alter Mann im PKW, hinter diesem wiederum andere Fahrzeuge. Es nieselte. Die Strasse war dunkelnass. Ein Auto kam entgegen, blendete den Fahrer. Der Fahrer zog nach rechts und sah Natenom, der auf Landstrassen eigentlich nie ohne Warnweste unterwegs war, erst zehn Meter bevor er ihn überfuhr.
Natenom flog über das Auto und starb noch am Unfallort an seinen schweren Verletzungen.

Wir trauern um ihn und vermissen ihn.

Seinen Angehörigen gilt unser aufrichtiges Beileid.

Dem Verursacher dieses tragischen Unfalls gilt unser Mitgefühl.

Die Aktiven des ADFC-Pforzheim Enzkreis und das Orga-Team der Critical Mass

*) Die Ermittlungen  sind noch nicht abgeschlossen. Dieser Nachruf wurde bezüglich der unsicheren Quellenangabe am 2.2.2024 aktualisiert.