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Laut ADFC „So geht Verkehrswende“ sind nur etwa 10% bis 20% der potentiellen Radfahrer*innen bereit, Radschutzstreifen wie aktuell in Pforzheim auf die Straßen gemalt zu benutzen. Den übrigen 80% bis 90% ist das zu unsicher. Sie wollen baulich getrennte Radwege, Kreuzungen nach dem holländischen Kreuzungsmodell, Fahrradstraßen und verkehrsberuhigte Superblocks (das heißt, Wohngebiete ohne Durchgangsverkehr).

Nur wenn wir diesen Menschen ein attraktives Angebot machen, wird eine Verkehrswende auch in Pforzheim möglich. Nur wenn diese Menschen sicher und gerne mit dem Fahrrad unterwegs sind, können wir die Lebensqualität in unserer Stadt nachhaltig verbessern.

Die schwarz-grüne Landesregierung des Landes Baden-Württemberg formuliert im Koalitionsvertrag zur Verkehrspolitik:

Unser Ziel ist ein durchgängiges, sicher befahrbares Radverkehrsnetz in Baden-Württemberg. Radwege sollen, wo immer möglich, baulich vom Auto- und Fußverkehr getrennt werden. Sie müssen deshalb in Zukunft bei jedem Straßenprojekt mitgedacht werden – ebenso wie Fußwege.

(Koalitionsvertrag 2021 Baden-Württemberg, Seite 125)

Die bauliche Trennung eines Radwegs muss nicht teuer sein:

Beispiel aus Berlin: die Abstandshalter mussten in Mexiko beschafft werden – wohl zu einfach für deutsche Standards

Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag wird auch die Umsetzung des Zielzustandes des RadNETZ BW als Priorität genannt. Zum RadNETZ BW gehört die Nord-Südverbindung in Pforzheim und somit die Kreuzung Heinrich-Wieland-Allee / Hohenzollernstraße (siehe unten, mit aktuell noch temporär geplantem Sandwich-Radweg ohne bauliche Trennung).

Jetzt müssen sich die Planer entscheiden: Einen politisch legitimierten Vorschlag umsetzen oder lieber veraltete Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, wie aktuell noch auf der Webseite der Stadt Pforzheim beworben („Radwege für die, die gerne zwischen Autos fahren“):

Quelle: Webseite der Stadt Pforzheim – Stand Mai 2022

Radfahrer*innen sollen in Pforzheim zwischen fahrenden Autos und parkenden Autos fahren, ständig in Gefahr, mit der sich gerade öffnenden Tür des parkenden Autos zu kollidieren oder den Weg abgeschnitten zu bekommen von denen, die gerade ein- oder ausparken wollen. Von baulich getrennten Radwegen keine Spur. Dabei ist Pforzheims Vision dem Stand von Berlins Umsetzung etwa 10 Jahre hinterher, wie folgendes Bild zeigt:

Beispiel aus Berlin: Fahrradspur rechts von den parkenden Autos

Kein Wunder, dass die Leute in Pforzheim lieber das Auto nehmen… hier Bilder von parkenden Autos auf Radwegen in der Östlichen Karl-Friedrich-Straße (beide Richtungen):

Das pikante: diese Situation befindet sich in Sichtweise des technischen Rathauses. Wer würde seine Kinder hier mit dem Fahrrad fahren lassen?

Ebenfalls beliebt in Pforzheim: „Sandwich-Radwege“, bei denen die Radlerin im Extremfall auf eineinhalb Meter Radstreifen zwischen zwei dreieinhalb Meter hohen Lastern eingeklemmt ist:

Quelle: ADFC zu Radwegen in Mittellagen

Der ADFC lehnt solche Sandwich-Radwege („Radwege in Mittellagen“) ab, da zu gefährlich. Trotzdem ist einer davon auf die Östliche Karl-Friedrich-Straße gemalt und ein weiterer wird bald (allerdings aussagegemäß nur temporär, wegen massivem LKW-Verkehrsaufkommen) hinzukommen an der Kreuzung Heinrich-Wieland-Allee / Hohenzollernstraße. Es ist eben billiger, die Fahrradfahrer so auf den bestehenden Straßen durch einfache Straßenbemalung „zu versorgen“. Autoaffine Stadtplaner berufen sich dabei auf die sogenannten „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA), die durch einen privaten Verein aufgestellt und inzwischen veraltet sind, siehe folgender Beitrag ab Minute 20 (Link zu NDR Film).

Um Pforzheim zu einer fahrradfreundlicheren Stadt zu machen, benötigen wir zumindest eine sichere Nord-Süd-Achse und eine sichere Ost-West Achse, sowie eine Anbindung der Südstadt. „Sicher“, das heißt:

  • baulich getrennte Radwege
  • Fahrradstraßen und Modalfilter (z.B. Poller, die nur Fussgänger*innen undn Radler*innen durchlassen) in Wohngebieten
  • Kreuzungen nach dem holländischen Kreuzungsmodell
  • Wohngebiete ohne Durchgangsverkehr
baulich getrennte Radwege, Mindeststandard (Quelle: ADFC: So geht Verkehrswende, S. 22)
Fahrradstraßen und Modalfilter (Modalfilter = „Autos müssen außen rum“ – Quelle: ADFC So geht Verkehrswende, S. 28)
Kreuzungen nach dem holländischen Kreuzungsmodell (ADFC: So geht Verkehrswende, S. 39)

Kreuzungen nach dem holländischen Kreuzungsmodell sorgen dafür, dass Radler*innen und Autofahrer*innen an Kreuzungen in stumpfem Winkel aufeinandertreffen und verhindern so, dass Radler*innen im toten Winkel von LKWs umkommen.

Wohngebiete ohne Durchgangsverkehr (ADFC: So geht Verkehrswende; S. 30)

Eine Einfahrt in die Wohngebiete ist zwar möglich, nicht jedoch die Durchfahrt für Kfz.

Die Stadtverwaltung hatte mit dem Haushaltsplanentwurf 2022/2023 zunächst geplant, den Ansatz für Umsetzung von Massnahmen aus dem Radverkehrskonzept von 150.000 EUR (2021) auf 100.000 EUR (2022) zu reduzieren Das wäre weniger als 1 € pro Einwohner gewesen. Zum Vergleich: der ADFC taxiert einen auskömmlichen Haushaltsansatz mit 30 € / Einwohner. Im Vorfeld der Haushaltsberatungen sind ADFC und Critical Mass deshalb auf die Gemeinderatsfraktionen zugegangen und haben diesen Wege zur Verbesserung der Lebensqualität und Mobilität aufgezeigt. Nach Erhöhungsanträgen der SPD, der Linken und der Grünen hat dann die Verwaltung bei den Haushaltsberatungen einen Alternativvorschlag gemacht: 100.000 mehr für die Radverkehrsplanung und 300.000 für bauliche Maßnahmen. Dieser Vorschlag wurde mit Stimmen auch der CDU angenommen.

Rückblick: Das Ziel des Verkehrsentwicklungsplans 1990, den PKW Anteil im Mobilitätsmix bei 50% zu stabilisieren wurden eklatant verfehlt; in 2017 betrug der Autoanteil 61%. Gleichzeitig nahm das Verkehrschaos, bedingt durch ein zu hohes Kfz Aufkommen, immer weiter zu. In den letzten 8 Jahren ist in Sachen Radverkehrsinfrastruktur fast nichts passiert. Dabei hätte die Stadtverwaltung durchaus aktiv werden können.

Die Radverkehrsverhinderer können sich nicht einmal mehr auf das Argument „Wirtschaft gleich Auto“ stützen: 92% der Geschäftsleute, die Läden an der Zerrennerstraße betreiben, unterstützen die Initiative „Projekt Z“, welche eine Sperrung der Zerrennerstraße für den Durchgangsverkehr fordert. Die Bäckerei Pasler betreibt am Ebersteinplatz jetzt auch Außengastronomie. Autofreie Tage in der Dillsteinerstrasse sind regelmäßig ein lebendiges Highlight mit Straßenfestcharakter.

Um die Verkehrswende zu schaffen ist es erforderlich, dass am Radverkehr interessierte aber besorgte Menschen, die rund 50% der Verkehrsteilnehmer insgesamt ausmachen, sich im Straßenverkehr sicher fühlen („subjektives Sicherheitsgefühl“). Das kann nur funktionieren, wenn in der Innenstadt entweder Tempo 30 gilt oder aber Radelnde auf baulich getrennte Radwege ausweichen können.

„Eine Entscheidung gegen das subjektive Sicherheitsgefühl der Mehrheit der Bürger*innen ist eine Entscheidung gegen die Verkehrswende und eine Entscheidung für den Klimawandel.“ sagt die Critical Mass. „Im stehenden Verkehr verbraucht ein Auto so viel Platz wie zehn Fahrräder“, meint der ADFC.

Der Gemeinderat muss handeln! Critical Mass forderte daher:

  • ein Radverkehrsbudget von 5 € pro Einwohner (für das Auto wird das zehnfache ausgegeben)
  • eine(n) zusätzlichen Fuß- und Radverkehrsplaner/-in, ggfs. durch Stellenumwidmung
  • Tempo hoch beim Radwegebau!

Diese Forderungen teilt auch der ADFC und beschreibt zudem die kurzfristig erforderlichen Massnahmen:

  • Durchgängigkeit der Nord-Süd-Hauptachse
  • Eine verkehrsberuhigte Zone für die Dillsteiner Straße
  • Lückenschluss Liebeneck-Pflügerstrasse
  • Bedarfsampel an der Querung Enztalradweg / Altstädter Kirchenweg
  • Fahrradstreifen stadteinwärts auf der Fritz-Ungerer Strasse

Hier die Präsentationen von Critical Mass und ADFC für die Gemeinderatsfraktionen:

Wir freuen uns, dass wir mit dem Kompromissvorschlag der Verwaltung nunmehr einen Schritt weiter sind.

Gruppe von Radlern auf dem Fahrrad in der Natur

Nach der Corona-Pause hat der ADFC-Kreisverband Pforzheim-Enzkreis das Tourenprogramm wieder aufgenommen. Am Sonntag 27.6. geht es um 9:30 vom Meßplatz bis in’s Kleinenztal. Anmeldung bei Helmut Kuntschner unter 0176-22862449. Bis zur Jahresabschlusstour am 20.11.2021 werden noch viele interessante Fahrten angeboten:

Als Orientierungshilfe für eventuell noch unentschlossene Wähler*innen haben wir gemeinsam mit ADFC Pforzheim-Enzkreis, Greenpeace Pforzheim und VCD Kreisverband Pforzheim/Enzkreis die Landtagskandidat*innen der Wahlkreise Pforzheim und Enzkreis zu einer Interviewreihe zum Thema nachhaltige Mobilität eingeladen.

Wir freuen uns, dass zehn von 13 antretenden Listen und Parteien der Einladung gefolgt sind. Die Resonanz auf unser Interviewprojekt ist für uns ein Beleg, dass die Bedeutung von nachhaltiger Mobilität von der Mehrheit der Listen und Parteien erkannt worden ist, und lässt darauf hoffen, dass wir nach der Landtagswahl mit einer nachhaltiger ausgerichteten Verkehrspolitik des Landes rechnen können.

Zur Teilnahme eingeladen waren alle für die Wahl zugelassenen Kandidat*innen der Wahlkreise Pforzheim und Enz. Listen und Parteien, die in beiden Wahlkreisen antreten, haben listen- bzw. parteiintern entscheiden können, ob das Interview von beiden Wahlkreiskandidat*innen gemeinsam oder von einer/einem Kandidierenden stellvertretend für beide Wahlkreise wahrgenommen wird.

Die Interviews sind mit allen teilnehmenden Kandidierenden auf gleiche Weise durchgeführt und am 16. und 17. Februar auf dem Pforzheimer Waisenhausplatz aufgenommen worden. Die Kandidat*innen haben jeweils die folgenden zwei Fragen gestellt bekommen:

  1. Wie würden Sie sich im Landtag für eine zeitgemäße und nachhaltige Mobilität einsetzen?
  2. Nennen Sie zwei konkrete Maßnahmen, die Sie in den nächsten fünf Jahren zu mehr Verkehrssicherheit und besserer Infrastruktur für den Fuß- und Radverkehr umsetzen wollen.

Im Folgenden zeigen wir, alphabetisch nach Nachname, wie sich die Landtagskandidat*innen zu unseren Fragen positioniert haben:

Interview mit Fabian Aisenbrey (Klimaliste Baden-Württemberg – Wahlkreis Enz)
Interview mit Matthias Dietrich (Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) – Wahlkreis Pforzheim)
Interview mit Philipp Dörflinger (Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) – Wahlkreis Pforzheim)
Interview mit Bernd Gögel, MdL (AfD – die Alternative für Deutschland – Wahlkreis Enz)
Interview mit Felix Herkens (Bündnis 90/Die Grünen – Wahlkreis Pforzheim)
Doppelinterview mit Michael Hofsäss/Annkathrin Wulff (Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) – Wahlkreis Enz/Pforzheim)
Interview mit Hüseyin Okur (Die Linke – Wahlkreis Pforzheim)
Interview mit Prof. Dr. Erik Schweickert, MdL (Freie Demokratische Partei (FDP) – Wahlkreis Enz)
Interview mit Dr. Rainer Simon (Bündnis C – Christen für Deutschland – Wahlkreis Enz)
Interview mit Markus Wiedermann (Volt Deutschland – Wahlkreise Pforzheim und Enz)

Wir danken allen teilnehmenden Kandidat*innen für ihre Interviewbereitschaft. Wir wünschen ihnen einen fairen, an Sachthemen und dem Wohl von uns Bürger*innen orientierten Wahlkampf und hoffen auf ihr tatkräftiges Engagement für nachhaltige Mobilität.

Für Filmaufnahmen, technische Umsetzung und professionelle Unterstützung bedanken für uns bei Paul Hoffer von Indigo Pictures.

sharepic „Fahrt Rad. Geht wählen. Bleibt gesund.“ – gerne teilen!

Die Interviewreihe ist ohne Zuschüsse von Dritten alleine von den genannten Projektpartnern realisiert worden. Wenn euch das Projekt gefällt und ihr euch an den Produktionskosten beteiligen wollt, freuen wir uns über eine kleine finanzielle Spende an VCD (IBAN: DE03 6665 0085 0000 8701 37).

Corona ist kein Grund, Trübsal zu blasen.

Um uns einen kleinen Lichtblick in diesen dunklen Tagen und auch Anstoß für etwas Bewegung zu geben, haben die beiden aktiven ADFC-Mitglieder Elfriede Boyken-Henze und Werner Schüle ein Such-Quiz entwickelt, mit dem wir uns ein wenig mit dem Rad bewegen und dabei Pforzheim von einer anderen Seite kennenlernen können. Das Such-Quiz könnt ihr hier herunterladen.

Wir brauchen jetzt die nächste Entwicklungsstufe einer Radverkehrsförderung, wir brauchen ein verbindliches Radgesetz für Baden­-Württemberg!

ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke

Die ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke unterstreicht mit ihrem Appell eine der drei Forderungen des ADFC. Zwar habe die RadSTRATEGIE der Landesregierung den Radverkehr vorangebracht, aber sie sei weder vom Parlament verabschiedet, noch sei es möglich, ihre Umsetzung einzufordern.

1. Radgesetz jetzt!
Baden-Württemberg soll ein einheitliches Radgesetz mit folgenden lnhalten bekommen:

Mehr Tempo beim Radwegeausbau:
Das RadNETZ in Baden-Württemberg soll zügig ausgebaut werden. Bis 2030 sollte in jedem Regierungsbezirk der Bau von mindestens fünf Radschnellwegen abgeschlossen sein.

Klares Bekenntnis zu Vision Zeromit Konsequenzen:
Die Zahl der Unfälle mit Radfahrenden steigt – entgegen dem Trend der allgemein sinkenden Unfallzahlen. Um das Ziel ,,Vision Zero“ (keine Unfälle mit schwer Verletzten oder toten Verkehrsteilnehmenden) zu erreichen, müssen Unfälle mit Radbeteiligung analysiert werden. Daraus abgeleitete Verbesserungen sind unmittelbar umzusetzen.

Radverkehr als Pflichtaufgabe für Landkreise:
Die Planung eines dichten und sicheren Radverkehrsnetzes und die Koordination der Umsetzung wird zur Pflichtaufgabe der Landkreise. Sie werden mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet.

2. Förderung des Radverkehrs in Städten und Kommunen:
Kommunen sind die zentralen Akteure der Verkehrswende, da sie lnfrastruktur umsetzen und pflegen. Die neue Landesregierung soll dafür Rahmenbedingungen setzen und Städte und Gemeinden darin unterstützen. Ein Planungspool für Kommunen und eine innovative Verkehrspolitik mit schnell umsetzbaren Maßnahmen sind die zentralen Voraussetzungen für eine progressive Radverkehrsförderung.

3. Die neue StVO bekannt machen und durchsetzen:
Wer sich im Straßenverkehr sicher fühlt, nutzt eher das Rad. Die Sicherheit kann durch die Einhaltung der fahrradbezogenen Aspekte der Straßenverkehrsordnung (StVO) gestärkt werden. Eine lnformationskampagne soll sie bekannt machen und die Polizei muss für eine zielgerichtete Ahndung entsprechend ausgestattet werden.

Ein schönes Beispiel  für die Umsetzung von Umweltpolitik ist die Verabschiedung des Lärmaktionsplans in Pforzheim:

Auf Basis der Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG hat das Land Baden-Württemberg „für“ 2012 (also mehr als zehn Jahre später) eine Lärmkartierung vorgelegt. Das Beitragsbild zeigt einen Auszug aus der Lärmkarte für Pforzheim, welche durch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) veröffentlicht wird.

Man sieht: Anwohner vielbefahrener Straßen haben es laut. Pforzheim muss als Stadt mit mehr als 100.000 Einwohner*innen alle paar Jahre einen Lärmaktionsplan vorlegen, um zu sehen, ob lärmmindernde Maßnahmen notwendig sind, weil Grenzwerte überschritten wurden. Ein Vorschlag für den Lärmaktionsplan hat die Verwaltung im Sommer 2020 in den Gemeinderat eingebracht. Demnach werden an fast allen Hauptstraßen die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten. Als lärmmindernde Maßnahmen werden weitgehend Tempo 30 ganztags oder Tempo 30 nur nachts sowie mittelfristig die Sanierung der Straßen mit lärmminderndem Asphalt vorgeschlagen.

Große Teile des Gemeinderates, insbesondere die Fraktionen und Gruppierungen FDP/FW/UB/LED, CDU, Junge Liste und AfD taten sich schwer damit bzw. lehnten den vorgelegten Aktionsplan mit den Maßnahmen ab. Da die betroffenen Bürger*innen ein Anspruch auf lärmmindernde Maßnahmen haben, hat die Bewegung „Wir in Pforzheim“ eine Bürgeraktion gestartet. Dabei wurden ca. 2500 Flyer in den betroffenen Straßenzügen verteilt und die Bürger*innen dazu aufgerufen Anträge zur Umsetzung des Lärmaktionsplanes zu stellen. Dies hat nochmals Öffentlichkeit für das Thema geschaffen und mehr Druck auf die politischen Entscheider*innen im Gemeinderat.

Nach mehreren Vertagungen des Themas hat die Verwaltung einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Des Weiteren hatten die AfD-Fraktion einen Änderungsantrag formuliert sowie die CDU-Fraktion mit der Gruppierung Junge Liste hatten einen Änderungsantrag formuliert.
Die AfD-Fraktion forderte auf den meisten Straßen Tempo 50, die CDU-Fraktion und die Junge Liste forderten auf einigen betroffenen Straßen tagsüber Tempo 50 und nachts Tempo 30. Die Auswahl der Straßenzüge von AfD, CDU und Junge Liste in den jeweiligen Anträge erschien dabei eher willkürlich. Der Kompromissvorschlag der Verwaltung umfasste fünf Hauptverkehrsstraßen, bei denen die Anzahl der Betroffenen gering ist, die Grenzwertüberschreitung eher gering oder die Verkehrsbedeutung der Straße sehr hoch. Insofern war der Kompromissvorschlag rechtlich sehr gut durchdacht. Im Kompromissvorschlag der Verwaltung betrifft dies die Straßen des Innenstadtrings, die Heinrich-Wieland-Allee, die Hachelallee, die Untere Wilferdinger Straße, die Kelterstraße und den westlichen Teil der Friedrich-Ebert-Straße.

Im Planung- und Umweltausschuss wurden am 10. Dezember 2020 die Anträge diskutiert. Eine Mehrheit gab es in dieser Sitzung auf Grund vieler Enthaltungen für keinen der Anträge.

Es bestand somit die Gefahr, dass im Gemeinderat gar kein Lärmaktionsplan verabschiedet werden würde. Die Bürger hätten ihr Recht auf Lärmschutz einklagen müssen. Die Wellen schlugen hoch: in Leserbriefen wandte sich die „Freie Fahrt für freie Bürger“ Fraktion gegen den Lärmaktionsplan, Lärmbetroffene meldeten sich auch emotional betroffen („Verachtung für die Anwohner“), der VCD verlangte, den ursprünglichen Lärmaktionsplan vom 14.7. zu verabschieden und der ADFC sprach sich für mehr Tempo 30 aus. Kurz vor der Gemeinderatssitzung startete die Critical Mass eine Rundmail „auf in die Mailpedale“, in der sie die Bürger aufforderte, ihre Stadträte anzuschreiben, damit diese in der Sitzung am 15. Dezember im Sinne der Lärmbetroffenen abzustimmen.

Der Kompromissvorschlag der Stadt wurde schließlich angenommen!

Es gab eine Mehrheit durch Stimmen der Fraktion und Gruppierungen FDP/FW/UB/LED, B90/Grüne, Grüne Liste, WiP/Die Linke, OB Boch und einzelne Stadträte*innen der CDU. AfD, Junge Liste und einige Stadträte*innen der CDU waren dagegen.

Die Junge Liste verorten wir nun schon das zweite Mal nahe der AfD. Der FDPFWUBLED-Fraktion gratulieren wir zu ihrem Abstimmungsverhalten.

Auf eine Aktion von „Wir in Pforzheim“ hin hatten Pforzheimer Bürger über 180 Anträge an die Stadtverwaltung gestellt, um diese aufzufordern, das BImschG umzusetzen und etwas gegen die erhöhten Lärmimmissionen an viel befahrenen  Strassen  in der Pforzheimer Innenstadt zu tun. Der ADFC gab dazu mit Blick auf die nachfolgende Gemeinderatssitzung am 14.12.2020 folgende Pressemeldung heraus:

„Auf Basis des Bundesimmisionsschutzgesetzes (BImschG) gibt es klare Grenzwerte für die Lärmbelastung. Nachdem 184 Anträge betroffener Bürger zur Einhaltung der Grenzwerte gestellt worden waren, sah der ursprüngliche Vorschlag der Stadtverwaltung für den Lärmaktionsplan denn auch Tempo 30 auf allen wesentlichen betroffenen Straßen vor. Trotzdem hat OB Boch dem Gemeinderat Gelegenheit gegeben, darüber abzustimmen, ob das Gesetz nun umzusetzen sei oder nicht und damit Gelegenheit zur Nicht-Umsetzung gegeben.

Nachdem die konservativen Fraktionen Vorschläge gemacht haben, das BImschG gar nicht oder nur zum Teil umzusetzen, hat die Stadtverwaltung nun den Ball zurückgespielt und einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der am Dienstag zur Abstimmung kommen wird.

In diesem Zusammenhang weist der Vorstand des KV Pforzheim-Enzkreis des ADFC darauf hin, dass Tempo 30 auch für den Radverkehr und damit für die gewünschte Mobilitätsentwicklung der Stadt von erheblichem Vorteil wäre.

Die Ausweisung weiterer Tempo 30 Zonen wäre eine günstige und effiziente Methode, mit dieser umweltfreundlichen Methode der Fortbewegung die Verkehrssicherheit und die Lebensqualität in der Innenstadt voranzubringen.

Die 2,2 Mio. Euro, welche man nach den sonst zu erwartenden Anwohnerklagen für geräuschdämmenden Straßenbelag und andere Maßnahmen ausgeben müsste, wären erheblich besser in Kindergärten, Schulen und den geräuschlosen Radverkehr investiert: Zum einen, weil dies mit weniger Folgekosten  verbunden wäre. Und zum anderen, weil wir als Bürger der Stadt Pforzheim damit die Abkehr von der fortdauernden Subventionierung des Autoverkehrs einleiten könnten.

In der Diskussion um die Verlegung des Enztalradwegs hatte sich der Gemeinderat der Frage stellen müssen, ob die 300.000 Euro für die Ampelquerung der Jahnstraße dann nicht bei den Schultoiletten fehlen würden. Wir würden uns freuen, wenn der Gemeinderat nun bei 2,2 Mio. Euro für schnelles Fahren in der Innenstadt dieselbe Sparsamkeit an den Tag legen würde.

Wir fordern alle Fraktionen dazu auf, bei der Abstimmung am Dienstag nicht nur den Autoverkehr im Kopf zu haben, sondern auch an die Zukunft zu denken.“

Radfahren wird immer beliebter, aber was wenn das Fahrrad abhanden kommt? Allein anhand der Rahmennummer können 90% der verloren gegangen Fahrräder nicht mehr dem richtigen Eigentümer zugeordnet werden. Abhilfe schafft hier die durch die Polizei entwickelte Fahrradcodierung durch den ADFC: Auf dem Rahmen des Fahrrads wird ein verschlüsselter personenbezogener Code verewigt, der aus einer individuellen Ziffern- und Buchstabenkombination besteht. Polizei oder Fundbüro erkennen anhand des Codes sofort den Eigentümer des Fahrrads und können ihn im Falle eines Diebstahls informieren, ohne Rückgriff auf Datenbanken. Am Samstag 19.9.2020 haben viele Pforzheimer auf dem Pforzheimer Marktplatz ihr Fahrrad sichern lassen, was danke der Medienberichterstattung vorab auf großen Anklang stieß. Die Aktion soll wiederholt werden. Wer Interesse hat, kann sich beim ADFC oder beim Newletter auf dieser Webseite (newsletter [at] fahrradstadt-pforzheim [punkt] de) anmelden.

Der Fahrradklima-Test ist eine der größten Befragungen zum Radfahrklima weltweit und wird vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) durchgeführt. Im Jahr 2020 findet die Umfrage zum neunten Mal statt – vom 01. September bis 30. November. Per Fragebogen kannst Du mit wenig Aufwand die Situation für Radfahrende in Deiner Stadt oder Gemeinde bewerten. So haben Du und alle anderen „Alltagsexpert*innen“ die Chance, Politik und Verwaltung wichtiges Feedback zur Situation von Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern vor Ort zu geben. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fördert den ADFC-Fahrradklima-Test aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020. Der Fahrradklimatest ist mir der Hoffnung verbunden, den Politikern vor augen zu führen, dass das Fahrrad ein gleichwertiges Verkehrsmittel ist.

Zum Online-Fragebogen geht es hier:

https://fahrradklima-test.adfc.de/