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Mit dem Fahrrad bergauf Richtung Bleichstr

Nachdem das verwaltungsvereinfachende Umlaufverfahren durch die Abgeordneten von AfD, FDP, UB, FW und LED (im Folgenden FDPFWUBLED) blockiert worden war, standen in der Gemeinderatssitzung vom 23.6.2020 zur Entscheidung an:

  • Die Ampelquerung über die Jahnstraße als wesentliches Element der Verlegung des Enztalradwegs auf die Südseite der Enz, zum Schutz der Fussgänger, die sich im Moment auf der Nordseite der Enz den Gehweg mit den Radlern teilen
  • Freigabe der Ingenieurdienstleistungen bezüglich des Umbaus der Westlichen KF. Es handelt sich im Wesentlichen um ein Straßensanierungsprojekt, bei dem auch ein Radweg auf die Straße gemalt werden soll
  • Das Realisierungsprogramm Radverkehr von 2020 von AB Stadtplanung zum Radverkehrskonzept von 2013 für die weitere Planung zu verwenden.

Wie viele stadträte mit dem Fahrrad gekommen sind, ist unbekannt. Die Sitzung begann mit einem kleinen Geplänkel bezüglich des Umbaus der Westlichen KF. Hier müssen ohnehin die Bushaltestellen barrierefrei umgebaut werden und die Parksituation sollte neu geordnet werden. Die Straße sollte daher in einem Durchgang saniert werden. In diesem Zuge soll auch ein Radstreifen auf der Fahrbahn markiert werden. Nachdem sie bereits das Umlaufverfahren blockiert hatte, hatte die FDPFWUBLED Fraktion im Vorfeld der Gemeinderatssitzung den Antrag gestellt, dieses „Radverkehrsprojekt“ überhaupt nicht zu realisieren. Auf Initiative von Stadtrat (SR) Baumbusch musste der Gemeinderat daher zunächst entscheiden den FDPFWUBLED Antrag wieder von der Tagesordnung zu nehmen.
Daraufhin beantragte SR Klein, auch den Umbau der Westlichen von der Tagesordnung zu nehmen, was zwar weitere Zeit kostete, aber ebenfalls im Vorfeld abgelehnt wurde.
Endlich stand als erster radverkehrspolitisch relevanter ordentlicher TOP das Realisierungsprogramm Radverkehr zur Diskussion. Zunächst meldete sich CDU Stadtrat Sarow mit einem flammenden Plädoyer für den Radverkehr zu Wort, welches inhaltlich kein wesentliches Argument ausließ: Radverkehr sei aktueller denn je, ökonomisch und ökologisch eine intelligente Fortbewegungsart, platzsparend, ein Imagegewinn für Pforzheim und integrationsfördernd für Menschen mit Migrationshintergrund. Er forderte den Radverkehr als gleichwertiges Verkehrsmittel in die Planung mit einzubeziehen. Daraufhin meldete sich die Stadträtin Wulff (SPD) und sagte die Unterstützung ihrer Fraktion zu, fragte aber nach, ob die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen nach den jeweils aktuellsten Vorschriften und Richtlinien geplant sei, was zugesagt wurde. Daraufhin wurde Stadtrat Klein das Wort erteilt. Er bemängelte, dass das vorliegende Realisierungsprogramm Radverkehr mehr als 10.000 EUR gekostet hätte, dass ständig neue Konzepte vorgelegt werden würden und nichts umgesetzt werden würde, sagte aber seine Unterstützung zu (der einzigen zur Abstimmung stehenden Umsetzung widersprach er jedoch später, siehe unten). SR Weisenbacher (Wir in Pforzheim) stellte fest, dass dieses Umsetzungsprogramm nur ein erster Schritt sein könne und dass er sich mehr Mut wünschen würde als nur die üblichen 08/15 Lösungen umzusetzen. Stadtrat Dr. Sturm (AfD) wandte ein, auf Seite 49 des Radverkehrskonzepts von 2013 seien die Radverkehrsanteile nur geschätzt und er zweifele sie an. Außerdem gehöre zu dem Radrealisierungsprogramm auch, dass Straßenverkehrsknoten umgebaut werden müssen und dies sei zu teuer. Nun meldete sich SR Hägele (FDPFWUBLED) zu Wort. Er sei gegen Radverkehr, wenn dies zu Lasten des Autoverkehrs ginge. Als nächstes war SR Herkens (B90 / Grüne) an der Reihe. Er stellte fest, dass in der Vergangenheit Politik gegen den Radverkehr gemacht worden sei und dass endlich mit der Umsetzung begonnen werden solle. Er griff direkt Stadtrat Klein an, indem er diesen aufforderte, die Kleingeistigkeit gegen den Radverkehr aufzugeben. SR Bamberger (AfD) merkte an, dass die Fahrräder aus China kämen und dass in Deutschland Autos produziert würden. Darüber hinaus würden Autos gebraucht, damit die Menschen zur Arbeit fahren können. Er sähe keinen Bedarf für den Radverkehr in Pforzheim. SR Baumbusch (Grüne Liste) meinte, er würde zwar das Auto nutzen, gestand dem Radverkehr aber trotzdem eine Zukunft in Pforzheim zu. Er kritisierte, sieben Jahre habe man gebraucht für das Realisierungsprogramm, und trotzdem müssen nun noch jede Maßnahme daraus einzeln beschlossen werden. Er machte sich dafür stark, die Stadt der Bevölkerung, insbesondere den Fußgängern und den Radfahrern zurückzugeben. Weniger eilig hatte es auch nach sieben Jahren SR Kubisch (FDPFWUBLED), der sich dafür aussprach, zunächst nur eine Verkehrsachse zu realisieren und dann weiter zu sehen.
Man schritt zur Abstimmung und beschloss mit 23 Ja Stimmen und 15 Gegenstimmen, das Realisierungsprogramm Radverkehr als verbindliche Grundlage der zukünftigen Planungen im Radverkehr anzunehmen. Ziel des Realisierungsprogramms ist eine priorisierte Maßnahmenliste, die möglichst zeitnah umgesetzt werden kann bzw. deren Umsetzung in den nächsten Jahren begonnen werden kann. Die im Realisierungsprogramm explizit genannten “Quick Wins“ wurden nicht beschlossen. Es steht nun zu befürchten, dass diese in den nächsten Gemeinderatssitzungen ausführlich diskutiert und höchst langsam umgesetzt werden, was dann dazu führen wird, dass keine der Radverkehrsachsen tatsächlich funktionieren wird, da dicke Bretter erst einmal nicht zur Entscheidung anstehen werden.
Weiter ging’s mit der Radquerung der Jahnstraße. Hier soll eine Ampel installiert werden, damit nicht länger Radfahrer und Fußgänger auf der Nordseite der Enz konkurrieren. SR Hägele ( FDPFWUBLED) fragte wozu noch eine Ampel, rechts und links gäbe es schon eine und eine Ampel bedeute „Stau“ (für den Autoverkehr, meinte er), was er ablehne. Stadträtin Engeser (CDU) sprach sich für die Verlegung des Radweges aus; die Ampelschaltung solle mit den anderen Ampeln auf dem Innenstadtring synchronisiert werden. Sie wies darauf hin, dass die Querung der Deimlingstraße auf Höhe des Parkhotels ebenfalls für die Fußgänger verbessert werden müsse. SR Dr. Grimmer (AfD), meinte, die Ampel würden den Radverkehr und den Autoverkehr stoppen (womit er vermutlich nicht meinte, es sollen alle gleichzeitig fahren) und etwas weiter gäbe es bereits eine ausreichende Ampel; die Stadt solle sich das Geld und die Beeinträchtigung des Innenstadtrings sparen. SR Fuhrmann (SPD) stimmte der Vorlage mit dem Argument zu, die Verlegung des Radweges sei gut für die Gastronomie und jetzt käme es zum Schwur, ob tatsächlich auch Maßnahmen beschlossen werden würden. SR Herkens (B90 / Grüne) meinte, die Verlegung des Enztalradweg sei ein Lichtblick und würde den Radverkehr erleichtern; das Geld sei ohnehin bereits im Haushalt eingestellt. SR Dörflinger (Junge Liste) meinte seine Fraktion sei zwiegespalten, da eine Ampel unpraktisch sei, andererseits sei die Radwegverlegung sinnvoll, weswegen die Junge Liste zustimmen werde. SR Weisenbacher meinte, die Sicherheit der Querung sei wichtiger als die Flüssigkeit des Autoverkehrs, weswegen WiP/Die Linke ebenfalls zustimmen werde. Zuletzt meldete sich wieder SR Klein zu Wort. Als Replik auf die Anmerkung von SR Herkens zu seiner Kleingeistigkeit erwiderte er, es solle wegen Corona auch beim Radverkehr Geld gespart werden, und es sollen andere Prioritäten gesetzt werden. Er fände aus fachlicher Sicht die Verlegung zweifelhaft und meinte, wenn dort eine Ampel gebaut werden würde, würden die Radfahrer ohnehin bei Rot fahren und die jetzige Querung reiche aus; alles andere sei Verschwendung von Steuergeldern. An dieser Stelle rief OB Boch zur Abstimmung: 24 Ja Stimmen, 14 Gegenstimmen.
Danach wurden ohne weitere Diskussion die Vergabe der Ingenieursleistungen zum Umbau der Westlichen KF mit 16 Gegenstimmen beschlossen. Einen Baubeschluss gab es ja bereits.

Nun ist die Stadtverwaltung am Zug.

Nach einem Unfall an der Kreuzung Enztalradweg / Deimlingstraße brachte unsere Kundgebung einen Ball  ins Rollen. Wir forderten eine sichere Ausgestaltung der Radwegquerung. Zuletzt fand eine Besichtigung im Rahmen eines vor Ort Termins mit Beteiligten der verschiedenen Ämter statt. Anlässlich dessen meinte der Vertreter des Amts für öffentliche Ordnung, dass ein Zebrastreifen an dieser Stelle die Fußgänger nur in falscher Sicherheit wiegen würde.

Das muss ein überzeugendes Argument gewesen sein, denn seitdem ist bis 2023 nichts mehr passiert.

Die Kreuzung Heinrich-Wieland-Allee / Hohenzollernstraße ist ein wichtiger Knotenpunkt auf der Nord-Süd-Achse. Die aktuell vorhandene Planung von 2015 sieht nicht zumutbare Fahrradstreifen mitten zwischen den Autofahrspuren vor. Das ist nicht akeptabel. Es ist weder zeitgemäß noch führt es dazu, dass sich ängstliche oder vorsichtige Fahrradfahrer aufs Rad schwingen.
Wir fordern von der Politik einen Ausbau der Kreuzung nach dem holländischen Modell, um eine sichere Querung für alle Fahrradfahrer zu gewährleisten. Diese Kreuzung bietet sich dazu geradwegs an.

In 2023 wurde die Kreuzung in einer vorläufigen Form ohne holländisches Modell umgesetzt: In nord-südlicher Richtung ist es jetzt möglich – wenn man mutig genug ist – auf einem Sandwichradweg zwischen Rechts- und Linkabbiegerspur direkt aus der Heinrich-Wieland-Allee in die Ebersteinstrasse weiterzufahren.

(von West nach Ost ist der Gehweg auf dem Foto zugleich auch der Radweg)

Am 29. Mai 2016 schrieb die PZ , die frischgebackene Baubürgermeisterin Sibylle Schüssler wolle „den Enztalradweg schon auf Höhe des Messplatzes auf die rechte Seite verlegen, wie vom Verkehrsclub gefordert, und über die Jörg-Ratgeb-Straße bis zum Steg am Waisenhausplatz führen. Dort könnten Radler die Seite wieder problemlos wechseln“. (Artikel „Mehr Pforzheimer sollen auf’s Rad“ von Martina Schäfer).

Im Mai 2017 übernahm OB Peter Boch die Verantwortung im Pforzheimer Rathaus. Anlässlich einer Unterschriftenaktion der Critical Mass und in Reaktion auf diverse Unfälle versprach er am 12. September 2019, noch im Frühjahr 2020 den Radweg auf die südliche Seite der Enz zu verlegen (Artikel „Radweg wird in die Ratgeb-Straße verlegt“ von Ulla Donn-von Yrsch im Pforzheimer Kurier vom 13. September 2019).

https://www.fahrradstadt-pforzheim.de/wp-content/uploads/2020/04/PK-Artikel-Enztalradweg-19_09_13-Boch-verspricht-ihn-auf-die-Suedseite-zu-verlegen.pdf

Eine so kurzfristige Terminplanung war zu mutig für Pforzheimer Verhältnisse, wie sich in der Folge herausstellte.

Auf die Frage des Stadtrats Christof Weissenbacher an Herrn Auer (Leiter des Pforzheimer Grünflächen und Tiefbauamtes) im Planungs- und Umweltausschuss am 05.02.2020 ob denn nun die Verlegung des Radwegs von nördlich der Enz auf südlich der Enz in diesem Frühjahr stattfinden würde, teilte dieser mit, „dass aufgrund der Zeitläufe für Ausschreibungen die Verlegung erst im Herbst erfolgen kann“. (lt. Bürgerinformationssystem, TOP Ö 5).

Im Oktober 2023 findet anlässlich der Critical Mass eine Gedenkbefahrung des nach wie vor auf der nördlichen Seite der Enz befindlichen Enztalradwegs statt.

Wir werden das weiter beobachten.

Besonders erstaunlich ist der Verlauf des Enztalradwegs entlang der Bissinger- und der Simmlerstrasse durch eine Shisha Bar (siehe Bild), wo man praktisch während der Fahrt dem Ober die Getränke vom Tablett nehmen kann. Im weiteren Verlauf verläuft sie über den Eingang zum Friseurgeschäft „Barbers“ und durch ein Restaurant. Die Strecke, die offiziell als touristisches Angebot bis Bad Liebenzell angepriesen wird, ist besonders für Fussgänger gefährlich, da der Radweg der Gehweg ist. Es wurde bereits von diversen Unfällen berichtet.

Die Critical Mass führte daher dort unter anderem im Rahmen der Aktion „Ab in den Süden“ eine Intensivbefahrung durch, sowie eine Unterschriftenaktion. Als Reaktion auf die Unterschriftenaktion versprach OB Boch im September 2019 die Verlegung des Enztalradwegs auf die Südseite der Enz.

(der händische Datumseintrag auf dem oben verlinkten Artikel ist ein Jahr zu spät – der Artikel erschien in 2019)

Im Oktober 2023 findet anlässlich der Critical Mass eine Gedenkbefahrung des nach wie vor auf der nördlichen Seite der Enz befindlichen Enztalradwegs statt.